Es gibt viele Interviews mit Norbert Kunz, dem Gründer der Social Impact gGmbH und einem der ersten Ashoka-Fellows in Deutschland, aber noch keines zu seinem neuesten Projekt und erst recht keine Antworten in kurzen GIFs. Das Team von „Baut Eure Zukunft“ hat nachgefragt, was für ein Schüler er selbst war und ob es einen Zusammenhang zwischen seiner Schulzeit und den vielen Bildungsprojekten in seinem Portfolio gibt. Die spannenden Antworten im folgenden Gespräch mit Karoline Spring. Hallo Herr Kunz!
Norbert Kunz: Hallo Frau Spring!
Karoline Spring: Wie kam es zum Bildungsprojekt „Baut Eure Zukunft“?
Kunz: Die initiale Idee liegt weit zurück und hat viel mit der Entwicklungsgeschichte von Social Impact zu tun. Seit es uns gibt, haben wir immer an innovativen Bildungskonzepten für unterschiedliche Zielgruppen gearbeitet. Vor circa einem Jahr ergab sich die Möglichkeit ein neues Konzept gemeinsam mit der Deutschen Bank Stiftung zu erarbeiten.

Spring: Was, denken Sie, ist der Mehrwert und das wirklich Neue an „Baut Eure Zukunft“?
Kunz: Einerseits ist da die Design-Thinking-Methode. Sie basiert darauf das ganzheitliche Potenzial von Menschen zu Nutzen – also nicht nur den Kopf, sondern auch Bauch, Hände usw. Außerdem ist es wichtig, dass alle kollaborativ miteinander arbeiten, unterschiedliche Kompetenzen werden zusammengetragen und es gibt keine Hierarchien in den Prozessen. Gemeinsam mit Lehrern und Schülern haben wir überlegt, was im Lebensraum Schule relevante Themen sind und haben vier herausgearbeitet, die wir alle am spannendsten fanden: Mobbing, Armut, Zukunftsangst und Gewalt.
Spring: Aber haben Lehrer nicht schon genug zu tun?
Kunz: Es stimmt, Lehrer haben wahnsinnig viel zu tun und stehen unter einem hohen Druck. Aber im Gesamtkontext muss man sich die Frage stellen, ob Lehrkräfte und Schüler nicht auch anders miteinander arbeiten könnten. Wir stehen vor enormen gesellschaftlichen Herausforderungen. Vor allem, die Neuordnung der Arbeitswelt gehört dazu – Stichwort Digitalisierung. Dieser Wandel in der Arbeitswelt erfordert vollkommen neue Kompetenzen. Wissensvermittlung, Aufbau von Hierarchien, individuelle Kompetenz fördern und die Besten zu belohnen, entspricht nicht mehr unseren Herausforderungen. Wir brauchen eine enorme Steigerung der Selbstkompetenz. Noch mehr brauchen wir eine Steigerung der Sozialkompetenz. Es geht nicht mehr um einzelne Individuen, sondern um Teams und gemeinsames Arbeiten. Hinzu kommt die Vermittlung von technologischem Know How: Wie gehe ich mit den digitalen Medien um?
Schule ist sehr stark von Sanktionen geprägt. Man muss sich in ein Regelsystem einordnen und funktionieren. Jeder Psychologe kommt zu dem Ergebnis, dass Lernen mit Emotionen zu tun hat. Wenn ich glücklich und zufrieden bin, lerne ich also mehr als unter Druck. Ein System, in dem die Schüler miteinander konkurrieren und Noten vergeben werden, ist eigentlich kontraproduktiv.

Spring: Was bedeutet Ihnen das Projekt persönlich?
Kunz: Das Projekt hat sehr viel mit mir selbst zu tun. Ich bin selbst Lehrer von meiner Ausbildung her. Die Schule habe ich jedoch, aus den genannten Gründen, früh wieder verlassen. Ich konnte mir selbst nicht vorstellen, in einem so hierarchisch strukturierten Umfeld Lehrer zu sein. Also habe ich die Social Impact gegründet.
Spring: Was hat es mit Selbstwirksamkeit auf sich?
Kunz: Es bedeutet am eigenen Erfolg zu wachsen, positive Rückmeldung für das Geleistete zu bekommen. Wir arbeiten also nicht daran Schwächen abzubauen, sondern die Stärken aufzubauen und damit eine positive Einstellung zum Lernumfeld zu bekommen, um mit einer anderen Motivation Themen und Problemstellungen zu erarbeiten.
Spring: Wie würden Sie Ihre Schulzeit beschreiben und was für ein Schüler waren Sie selbst?
Kunz: Sie war kompliziert und letzten Endes sehr persönlichkeitsbildend. Ich komme aus einem kleinen Dorf aus einer Arbeiterfamilie. Kein Mensch in unserem Umkreis hat Abitur gemacht oder gar studiert. Das war auch nicht vorgesehen. Es waren eigentlich die Lehrer, die mich zum Weitermachen ermutigt haben von der Realschule aufs Gymnasium zu wechseln.
Als Schüler war ich recht talentiert, aber nicht fleißig. Im Nachhinein denke ich, dass ich überall da gut war, wo man mich hat gut sein lassen und man mich am wenigsten beschränkt hat. Irgendwann hatte ich die Erkenntnis, dass es besser ist mitzumachen als dagegen zu arbeiten. Das hat dazu geführt, dass ich mich immer aktiver beteiligt habe.
Spring: Was hat sich in den Schulen seitdem gewandelt?

Kunz: Leider relativ wenig. Es gibt zwar viele Lehrer, die versuchen reformpädagogische Ansätze zu fahren und wissen, wie veraltet das System ist. Viele wissen, dass es keinen Sinn macht irgendwelche Flüsse auswendig zu lernen, die nur einen Mausklick auf dem Computer entfernt sind.
Wenn man heute in ein Klassenzimmer geht und sieht, dass alle Schüler wie vor 250 Jahren nach vorne zum Lehrer an der Tafel schauen, wird klar, dass sich nicht viel geändert hat. Hier lernen Schüler Verhaltensweisen die ihrer eigene Entwicklungspsychologie entgegenstehen. Wenn Sie einen Grundschullehrer fragen, wird er Ihnen sagen, dass er rund 70% seiner Zeit damit verbringt die Kinder zu Disziplinieren. Das kann nicht das richtige Konzept sein um Kinder zu fördern.
Spring: Ihr Kommentar zu Digitalisierung in Schulen bitte.
Kunz: Wir müssen von Digitalisierung des Lebens sprechen – alle Lebensräume werden digitalisiert und davon beeinflusst. An Schulen kann es jedoch nicht nur darum gehen, dass unsere Kinder und Jugendliche mit der Technik umgehen können. Meist können die das sowieso viel besser als wir. Die Wirkung begreifbar zu machen, ist viel wichtiger. Zum Beispiel, dass digitale Medien unsere Einstellung beeinflussen können. Wir müssen lernen, die Informationen zu hinterfragen und kritisch damit umzugehen. Das ist mit die größte Herausforderung. Wir müssen also aufpassen, dass wir nicht in eine Manipulationswelt hineingeraten, wo uns andere sagen, wie wir zu denken und zu handeln haben.
Spring: Vielen Dank, für das interessante Gespräch.